Fehlende FPÖ-Systemkenntnis: „Aufstieg und Niedergang einer Kassenreform“

Das die Kassenreform gescheitert ist, hab ich gestern schon gezeigt (LINK). Hier die Ursachenanalyse:

Was muss man wissen, wenn man das Kassensystem grundlegend reformieren will

Wer sich näher mit dem österreichischen Kassensystem beschäftigt, kennt die Unzulänglichkeiten des Systems. Aus finanzieller Sicht liegt eine extrem schiefe Vermögensverteilung vor. So hat die BVA pro Versicherten fast zehnmal so viel Vermögen wie die GKKn und das obwohl die GKKn deutlich effizienter sind. Das Problem ist, dass es zwar zwischen den GKKn einen Finanzkraftausgleich (RSA) gibt, der finanzielle Nachteile ausgleicht (Einkommensunterschiede, Altersunterschiede,…), die beitragsstärkeren Kassen (vor allem Beamte) beteiligen sich aber nicht daran. Folge: massive Leistungsunterschiede bei Krankenkassen.

Quelle: Kronenzeitung (LINK)

Daher hat die AUVA bis dato den untefinanzierten GKKn in dreistelliger Millionenhöhe unter die Arme gegriffen (quersubventioniert). Die AUVA ist nämlich derzeit aufgrund der seit Jahren zurückgehenden Arbeitsunfälle und der gleichzeitig ausbleibenen Beitragssenkungen überfinanziert.

=> Das sind die Grundkenntnisse, die man über die finanziellen Verflechtungen im SV-System haben muss. SPÖ und ÖVP wissen darüber Bescheid. Die FPÖ hat offensichtlich keine Ahnung davon.

Im folgenden eine kurze Skizze der SV-Strategien von SPÖ und ÖVP,  wie die ahnungslose FPÖ zwischen den beiden aufgerieben wurde und was die FPÖ tun hätte müssen, um unbeschadet aus der SV-Reform herauszugehen.

SPÖ-Strategie

Die SPÖ ist mit ihren AK-Funktionären stark in den unterfinanzierten GKKn vertreten. Sie hätte eigentlich seit Jahrzenten auf einen umfassenden Risikostrukturausgleich zwischen allen Kassen drängen müssen, um die GKK-Unterfinanzierung zu beenden. Sie hat es aber nie getan, was sich massiv auf die GKK-Leistungskataloge durchgeschlagen hat. Darum hat es bis dato auch keinen einzigen AK-Konsumentenschutztest zu Kassenleistungsunterschieden gegeben, weil sonst das jahrzehntelange Versagen der AK-Kassenfunktionäre aufgedeckt worden wäre.

Die SPÖ hat höchstwahrscheinlich deshalb auf keinen umfassenden Risikostrukturausgleich gedrängt, weil sie, wie die ÖVP, an Intransparenz des Kassensystems interessiert ist. Ihre Alternativvariante für die finanzielle Aufpäppelung der GKKn (mit gleichzeitiger Intransparenzgarantie) war deshalb die Integration der AUVA in die GKKn, was aus dem „roten“ Auftragspapier zur LSE-Studie hervorgeht (2016, David M., GPA, LINK). Die GKK-Unterfinanzierung wäre mit einem Schlag beendet gewesen und das System weiterhin nach Berufsgruppen getrennt. Und durch die Fragmentierung hätte man sich die altbekannte Argumentationslinie gegen unliebsame Vergleiche bewahrt: „Aber dafür gibt es bei uns weniger Selbstbehalte“ oder noch banaler „Sie wissen, das kann man so nicht vergleichen“.

Durchkreuzt wurde die SPÖ-Taktik durch die Neuwahlen und das Vorhaben der FPÖVP-Regierung, die AUVA aufzulösen oder zumindest die Beiträge zu senken. Damit war die üppige Quersubventionierung der GKKn Geschichte und SPÖ/AK/ÖGB haben sich ab diesem Zeitpunkt (Anfang 2018) nach einer 180°-Grad-Wende plötzlich klassenkämpferisch für den Erhalt der AUVA eingesetzt.

ÖVP-Strategie

Die ÖVP weiß grundsätzlich, dass die GKKn unterfinanziert sind, hat aber bei der Kassenreform auf Kosten der FPÖ riskiert. Ihr grundsätzliches Ziel: Lohnnebenkostensenkung (UV-Beiträge), daher entweder AUVA-Einsparungen in Höhe von 500 Mio. Euro oder Auflösung der AUVA (siehe Regierungsprogramm). Soweit ein vernünftiges Ziel, nur wollte die die ÖVP den „roten“ GKKn die Quersubventionierungen nicht mittels stärkerer Solidarität innerhalb des Krankenversicherungssystems ersetzten (Finanzkraftausgleich/Risikostrukturausgleich).

Die ÖVP war sich definitv darüber im Klaren, dass SPÖ/AK/ÖGB darauf heftig reagieren würden, ist aber das Risiko eingegangen, weil das Gesundheits-/Sozialministerium in blauer Hand liegt. Ein Scheitern würde also somit in erster Linie auf die FPÖ zurückfallen. Man kann also sagen, die ÖVP hat die FPÖ gewaltig auflaufen lassen! Aber gut, für das, dass die FPÖ wieder mal völlig ahnungslos ist, kann man der V-Partei nun wirklich keinen Vorwurf machen.

FPÖ-Blauäugigkeit

Es ist davon auszugehen, dass die FPÖ wirklich nicht den leisesten Hauch einer Ahnung hat, was in der Sozialversicherung abläuft, und wie deshalb strategisch vorzugehen ist. Sie wurde in einem Kampf zwischen Rot und Schwarz aufgerieben. Aber gut, für Ahnungslosigkeit gibt es kein Mitleid. Wer seit Jahrzehnten im Parlament vertreten ist und trotzdem nicht weiß, was rennt, ist selbst schuld.

Der strategische Fehler der FPÖ war schlussendlich, dass sie der ÖVP blind vertraut hat. Die FPÖ hätte zumindest auf einen Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen drängen müssen. Sie hätte somit SPÖ/AK/ÖGB und die GKKn nicht völlig auf die Barrikaden gebracht und sogar ihrer eigenen Wählerklientel geholfen, die ja mehrheitlich in den unterfinanzierten GKKn versichert ist…

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