Mehr als eine Organisationsreform sollte die Kassenreform nie sein. Aber immerhin und mehr als unter 11 Jahren Rotschwarz erreicht wurde. Bis zum spontanen Beschluss einer vorübergehenden, fehlanreizpräventiven Kassen-Ausgabenbremse im letzten Frühjahrsplenum hatte man auch den Eindruck, dass die Regierung weiß was sie tut. Bis dahin war das Beeindruckende, dass eine Regierung erstmals die Einwände der von Eigeninteressen getriebenen Kammerfunktionäre ignoriert hatte.
Dann aber, ab Ende August, hat die Regierung allgemein der Mut verlassen. Seither eiert sie herum und von der Organisationsreform ist nur noch ein unverständliches Irgendwas mit Umfärbungsbeigeschmack übrig geblieben. Jetzt kann einem ziemlich egal sein, dass die AK-Funktionäre aus der Selbstverwaltung auf 50:50-Parität zurückgedrängt werden, weil sie ohnehin nie wirklich eine glaubhafte Versichertenvertretung waren und sein werden. Oder kennt beispielsweise irgendwer einen AK-Konsumentenschutztest bezüglich Kassenleistungs-Unterschiede? Natürlich nicht, damit würde die AK das Versagen der eigenen Kassenfunktionäre offenkundig machen, speziell in den unterfinanzierten GKKn. Es ist somit völlig unverständlich, weshalb die Regierung zunächst (Frühjahr) wie ein Fuchs in den Hühnerstall hingefahren ist, alles aufgescheucht hat, dann (Herbst) aber ohne verrichteter Dinge wieder abgezogen ist und den Hühnern anschließend auch noch eine Bühne bietet. Was war das eigentlich, außer einem ergebnislosen Reformchaos?
Hier die Liste, was diese Reform alles leider nicht bringt:
- Keine echte Selbstverwaltung und keine echte Versichertenvertretung (Sozialwahlen)
- Keine Finanzierung aus einer Hand
- Keinen Finanzkraftausgleich zwischen den Kassen (RSA) – Grundlage für Leistungsharmonisierung
- Keine einheitlichen Leistungs-/Honorar-/Zuschusskataloge
- Keine Integration der Unfallversicherung in die Krankenversicherung – ursprünglich auch von SPÖ/AK/ÖGB gefordert
- Keine strukturierten/integrierten/hausarztzentrierten Versorgungsprogramme für die 25% teuersten Patienten – massives Einsparungspotential
- Keine Vielfalt an ambulanten, gemeinschaftlichen Versorgungsformen
- Kein Ende der Mehrfachversicherung
- Keine freie Kassenwahl
- Kein Benchmarkingsystem zwischen den Kassen oder ÖGK-Landesstellen
- Keine gleichen Leistungen und gleiches Angebot bei gleichen Beiträgen
- Keine signifikanten Einsparungen
- Keine Strukturbereinigung
- Keine einheitliche Beitragserhebung/-prüfung bei der Finanz
- Keine Diagnosedokumentation im ambulanten Bereich
- Keine Digitalisierungsoffensive
Also wenn man sich die Punkte ansieht, was alles nicht kommt, dann erkennt man das Ausmaß des Nichts dieser sogenannten „größten Gesundheitsreform der zweiten Republik“. Seitens der Ministern können auch keine Zahlen vorgelegt werden, wie man bis 2023 jährlich 200 Mio. Euro einsparen will. Wie peinlich ist das bitte??
Grundsätzlich ist die Einsparung realistisch. Die SV-Verwaltungskosten machen offiziell 1,2 Mrd. Euro (KV: 479 Mio. Euro, PV: 623 Mio. Euro, UV: 126 Mio. Euro). Rechnet man die verschleierten Verwaltungskosten (Vertrauensärztlicher Dienst, Abschreibungen, sonstige betriebliche Aufwände) noch dazu, liegt man bei ca. 2 Mrd. Euro. Ca. 400 Mio. Euro fallen für die Beitragserhebung/-prüfung an. 200 Mio. Euro jährlich sollten da kein Problem sein. Nur es gibt hald kein Konzept, wie die Regierung kurzfristig dieses Sparpotential heben will, und bei der Verlagerung der Beitragserhebung/-prüfung zur Finanz ist die Regierung klassisch umgefallen.
Übrig bleibt eine Reform, die nichts bringt und entsprechend unnötig für Unruhe gesorgt hat. Die Versicherten haben davon genau gar nichts. Sie werden weiterhin schlecht vertreten und können ihre Versichertenvertreter nachwievor nicht selbst wählen. Die völlig befangene Arbeiterkammer, die sich gern als Versichertenvertreter ausgibt, wird weiterhin keine Konsumentenschutztests zu unterschiedlichen Kassenleistungen rausgeben, weil sie damit das Versagen ihrer eigenen Kassenfunktionäre unterstreichen würde. Stattdessen weiterhin unnötige Wurschtsemmeltests. Sprich: weiterhin keine echte Selbstverwaltung (Sozialwahlen) und Versichertenvertretung.