Was bedeutet Selbstverwaltung wirklich und wieso haben wir sie immer noch nicht?

Selbstverwaltung alt – nichtrepräsentative Lobbys statt den Versicherten

Die Wiener Gebietskrankenkasse definiert die Selbstverwaltung folgendermaßen:

„Selbstverwaltung bedeutet, dass der Staat Aufgaben der öffentlichen Hand Personengruppen überlässt, die davon unmittelbar betroffen sind.“ (LINK)

Das bedeutet, dass vom Säugling bis zum Greis alle Menschen Teil der Selbstverwaltung sind. Was die WGKK allerdings nicht schreibt, dass sie nämlich mit „alle“ lediglich Funktionäre von AK/ÖGB/WK. Diese Organisationen repräsentieren aber nur knapp die Hälfte der Bevölkerung. Mal davon abgesehen, dass die Pflichtmitglieder von AK/ÖGB/WK wohl kaum bei AK/ÖGB/WK-Wahlen über die Sozialversicherungsausrichtung abstimmen. Viele wissen wahrscheinlich auch gar nicht, dass AK/ÖGB/WK die Kassengremien besetzen.

Grundsätzlich ist das zwar ein Vorteil, dass die AK/ÖGB/WK-Funktionäre bei AK/ÖGB/WK-Wahlen bezüglich ihrer Entscheidungen in Kassen-Gremien nicht in Verbindung gebracht und abgestraft werden, aber die Funktionäre nutzen diesen Vorteil nicht, um wirkliche Reformen in der Sozialversicherung durchzusetzen, und da gäbe es laut RH genug Reformpotential (LINK, S. 5). Darum ist die es sinnlos, die aktuelle Gremienbesetzung der Kassen weiterhin über AK/ÖGB/WK-Funktionäre zu erledigen. Aber was sind die besseren Alternativen.

Selbstverwaltung neu – Sozialwahlen

Die Deutschen sind uns da wieder mal weit voraus. Die Gremienbesetzung der Kassen erfolgt nicht indirekt über Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter-Wahlen, sondern direkt. Bei der größten deutschen Krankenkasse, der Techniker Krankenkasse (10 Mio. Versicherte), stimmen die Beitragszahler und Arbeitgeber direkt über die Besetzung des 30-köpfigen Verwaltungsrates ab. Dabei können sich Listen aufstellen lassen, die mit der Kasse in Verbindung stehen – Versicherten/Arbeitnehmer-Listen und Arbeitgeber-Listen. Sollten sich die Listen untereinander auf die Verwaltungsratsbesetzung einigen, gibt es keine Wahlen (Friedenwahl), was zumindest Wahlkosten erspart. Bei der Techniker Krankenkasse hat es diese Einigung zuletzt nicht gegeben, weshalb ihre Mitglieder zur Wahlurne gebeten wurden (LINK). Der daraus hervorgehende Verwaltungsrat (entspricht Aufsichtsrat) bestimmt dann Vorstand. Also eigentlich wie in einem modernen Unternehmen. Der Vorstand muss natürlich kein AK/ÖGB/WK oder sonstiger Parteigänger sein, es kann jede qualifizierte Person sein.

=> Das ist moderne Selbstverwaltung. In Österreich hat man aber nach wie vor eine eingeschränkte Vorstellung von Selbstverwaltung – nur AK/ÖGB/WK dürfen selbstverwalten.

Vergleich Vorarlberger GKK und Techniker Krankenkasse

Interessant ist ein Vergleich der GKK, die zuletzt am lautesten geschrien hat, Vorarlberger GKK, mit der Techniker Krankenkasse (TK). Die VGKK hat zwar nur 250.000 Versicherte aber deutlich mehr Funktionäre als die 10 Mio. Versicherte große TK.

Zudem gibt es in der VGKK 5 Funktionärsebenen (Beitrat, Generalversammlung, Vorstand, Kontrollausschuss, Direktion), während sich die TK-Funktionäre auf das übliche 2-Ebenen-System aufgeteilt sind – Aufsichtsrat und Vorstand.

Tja, und während in der VGKK die Gremien durch die üblichen Parteigänger besetzt werden, wird, wie erwähnt, der TK-Verwaltungsrat durch die Sozialwahlen von den Mitgliedern bestimmt. Das ist Selbstverwaltung im eigentlichen Sinn.

Abb. 1: Gremien, Vorarlberger GKK vs. Techniker Krankenkasse

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